Seit dem 11-03-2011 war ja Japan eigentlich in vielen Gesprächen immer wieder gegenwärtig. Was die meisten Westler (und sowieso die Medien) dabei nie verstanden und deshalb oft diskutiert haben, war speziell die Mentalität der Japaner.
Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt sind Eigenschaften, die in den westlichen Ländern mehr als rar gesät sind und manch einer kennt sie vllt. sogar nur als Wörter aus dem Duden.
Da verwundert es nicht, dass (überraschenderweise besonders alte) Menschen auf so irrwitzige Ideen kommen, dass die Japaner ja ihr Leben lang in solche Rollen reingepresst würden, das sei Drill wie in China, habe nichts mit Freiheit zu tun und deshalb wirke das jetzt so, als wären die Japaner besonders hilfsbereit und ruhig in jeder Lebenslage, und sei es eine Naturkatastrophe wie die vergangene. Aber eigentlich sei das eben völlig unnormales Verhalten für einen freien Menschen. Ohne Scheiß, solche Diskussionen habe ich en masse geführt und ich hätte diese Menschen alle am liebsten geschlagen – (*haare-zum-dutt-dreh-brille,-die-ich-nicht-brauche-aufsetz-und-bis-zur-nase-runterzieh-und-mahnend-den-zeigefinger-heb*) Aber Gewalt ist keine Lösung!
Einen guten Einblick in den Umgang der Japaner miteinander, verleiht aktuell ein Video, welches sich momentan verbreitet wie ein Lauffeuer.
Es geht um den JR Kyūshū Shinkansen (Japan Rail, JR 九州新幹線), der seit Mitte Februar eine neue Strecke befährt, die auf der Insel Kyūshū jetzt die Präfektur Fukuoka (福岡) ganz im Norden mit der Präfektur Kagoshima (鹿児島) ganz im Süden direkt verbindet, während vorher die Verbindung nur den Süden abdeckte.
Diese Strecke hat nun quasi ein neues Model vom Shinkansen erhalten – die Züge sollen noch komfortabler sein und sehen sowieso noch viel chicer aus.
Um Werbung für das neue Shinkansen-Model zu machen, schickte man den Sakura Shinkansen (einer von 3 Zügen, die die Strecke Fukuoka – Kagoshima befahren, zweitschnellster) auf seine Jungfernfahrt im neuen Design.
Die Resonanz der Menschen auf Kyūshū war extrem. Überall standen sie an den Bahnhöfen, an den Gleisen, verteilt auf die gesamte Strecke und feierten den neuen Zug. Offizieller Start für den neuen Zug war der 12.März – also ein Tag nach der Naturkatastrophe in Japan.
Da man zu der Zeit sämtliche Werbung aus Funk und Fernsehen entfernte, aus Rücksichtnahme auf die japanische Bevölkerung, nahm wohl irgendwie kaum einer Notiz von diesem ganz speziellen Spot.
Bis jetzt.
Vor wenigen Wochen entschied man sich dazu, wieder Werbung zu senden, und seither verbreitet sich dieses Video auf Youtube, Twitter, Facebook…
Könntet ihr euch das für die Deutsche Bahn vorstellen? Ist die Deutsche Bahn ein Unternehmen, dem man freiwillig und unentgeltlich auch nur eine Minute seiner Zeit spendieren würde? Meine Ablehnung könnte größer kaum sein.
Ist das nicht traurig?
Übrigens, was dort immer wieder eingeblendet wird, sind die Namen der Städte/Stationen in denen der Zug hält:
Kagoshima (鹿児島中央), Sendai (川内), Izumi (出水), Shin-Minamata (新水俣), Shin-Yatsushiro (新八代), Kumamoto (熊本), Shin-Tamana (新玉名), Shin-Ōmuta (新大牟田), Chikugo-Funagoya (筑後船小屋), Kurume (久留米), Shin-Tosu (新鳥栖) und
Hakata (博多).
Die Menschen im Video halten Plakate hoch auf denen unter anderem entweder Glückwünsche stehen, Cheerups, der Name ihrer Stadt, in der sie sich befinden, der Name der Insel Kyūshū und ihre Liebe zu ihr oder eine direkte Ansprache des Zuges (Sakura-chan) verziert mit Herzen. Auf dem Shinkansen selbst steht Arigatō, das japanische Wort für “Danke” und Kyūshū.
Einer der Kommentierenden auf Youtube hatte noch gemeint, dass der Schaffner und der Kameramann, die ganze Zeit vor Rührung geweint hätten, als sie die ganzen Menschen an den Gleisen sahen.
Der Song ist übrigens von Maia Hirasawa (マイア・ヒラサワ) und heißt Boom.
Falls er euch gefiel, hier ist er:
xxx, YM